Land der unbegrenzten Möglichkeiten
Kanada hat sich in den Jahrzehnten vor dem Krieg enorm verändert: Einwanderung ließ die Bevölkerung anwachsen, das Landesinnere wurde urbar gemacht, der Wohlstand stieg, die Städte wuchsen und die Industrie blühte. Der wachsende Wohlstand bringt Selbstvertrauen mit sich. Kanada ist stolz darauf, einen Beitrag zum Krieg zu leisten.
Kanada verfügt nicht über eine eigene Armee. Die ständige Miliz zählt nur etwa 3.000 Mann. Um ihre Reihen aufzufüllen, werden im ganzen Land Freiwillige rekrutiert. Es gibt keinen Mangel an Kandidaten. Zehntausende wollen sich der Expeditionsarmee anschließen. Aufgrund des Überangebots werden nur die am besten Qualifizierten ausgewählt.
Nach der Grundausbildung überqueren die ersten Rekruten den Atlantik. Ende Januar 1915 wird die Erste Kanadische Division gebildet. Aufgrund des Mangels an kanadischen Offizieren wird das Kommando von Briten übernommen.
Im März 1915 erlebt die Division ihre Feuertaufe in der Schlacht von Neuve-Chapelle in Frankreich.
Welt im Krieg
Die vielfältige Herkunft der Kanadier auf dem Menin Gate ist beeindruckend.
Wir ermittelten nicht weniger als 57 verschiedene Geburtsländer. Mehr als die Hälfte sind Einwanderer der ersten Generation, meist Englischsprachige aus Großbritannien, Schottland, Irland oder den Vereinigten Staaten. Nur 38 % der Soldaten wurden in Kanada geboren.
Bei Kriegsausbruch steht die Armee der Rekrutierung von Nicht-Englischsprachigen skeptisch gegenüber. Nur 2 % der Kriegsfreiwilligen kamen aus Kontinentaleuropa.
Doch nach einigen Jahren dringt die grausame Realität des Krieges bis an die Heimatfront durch. Die Zahl der Freiwilligen wird immer geringer. Im Jahr 1917 wird die Wehrpflicht eingeführt. Neben nicht Englisch sprechenden Einwanderern wird nun auch unter Häftlingen rekrutiert. Dennoch blieb die Rekrutierung von Kanadiern osteuropäischer, jüdischer, asiatischer und afrikanischer Herkunft immer noch mit einem Stigma behaftet.
Teizo Nishioka
Teizo Nishioka
Der in Osaka geborene Teizo Nishioka ist einer von Tausenden von Japanern, die um die Jahrhundertwende nach Kanada auswandern. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Viele ziehen nach British-Columbia. Die japanischen Einwanderer haben nur wenige Rechte. Sie haben kein Wahlrecht und dürfen bestimmte Berufe nicht ausüben.
Asiaten werden in British-Columbia häufig von der Armee ausgeschlossen. Mehr als 200 japanische Kanadier ziehen in die östlichen Staaten, um sich dort zu melden. Teizo meldete sich in Saskatchewan. Er wird den Canadian Mounted Rifles zugeteilt.
Am 2. Juni 1916, dem ersten Tag der Schlacht am Mount Sorrel, wurde der 25-jährige Teizo durch ein Schrapnell getötet. Er ist einer von 54 japanischen Einwanderern, die für Kanada gefallen sind.
Erst 1949 wurde allen japanischen Kanadiern das Wahlrecht zugestanden.
“War is old men talking and young men dying.”
Die Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen macht 61 % aller gefallenen Kanadier auf dem Menin Gate aus. Teenager machen 10 % der Gruppe aus und ein Fünftel sind Menschen in den Dreißigern. Drei Jungen auf dem Menin Gate waren erst 15 Jahre alt. Einer von ihnen ist John Smith vom 14th Battalion (Royal Montreal Regiment). Er wird seit der Ablösung vom 7. November 1917 vermisst. Für John fanden wir eine ursprüngliche Grabstätte bei Otto Farm.
George Dusome
George Dusome
Etwa zur gleichen Zeit am gleichen Ort wie John schlurfen abgelöste Männer schweigend über schmale Plankenwege nach hinten. Sich zu kreuzen ist schwierig. Die Soldaten drängen sich auf den engen Wegen, die regelmäßig unter Beschuss geraten. Chaos überall. Wer vom Weg abkommt, kommt nur selten wieder auf ihn zurück. Den Soldaten fehlt die Kraft, sich aus dem Schlamm zu ziehen. Betäubt von der Müdigkeit und der ständigen Gegenwart des Todes, schauen ihre Kameraden apathisch zu. Es gibt nur einen Gedanken. Nichts wie weg.
Einer der Jungen, der im Schlamm verschwindet, ist der knapp 18-jährige George Dusome aus Penetanguishene, Ontario. Er hatte über sein Alter gelogen, um sich zu melden. Wie John wird er seit der Ablösung am 7. November vermisst. Er fällt bei 's Graventafel vom Weg. George wird nie wieder gesehen.
Vom Blumenhändler zum Buchhalter
In den Sommermonaten des Jahres 1914 gab es keinen Mangel an Freiwilligen. Nur die Besten wurden ausgewählt. Doch je länger der Krieg dauerte, desto weniger konnten es sich die Rekrutierer leisten, wählerisch zu sein. Die Canadian Expeditionary Force wird zu einer Bürgerarmee. Freiwillige werden aus allen Gesellschaftsschichten rekrutiert. Blumenhändler, Buchhalter und Tagelöhner treten an die Stelle von Veteranen und Milizionären.